Pressebericht

Mold & Die Center auf der Euromold 2007

Der Werkzeug- und Formenbau stellte wie in den Jahren zuvor die größte Ausstellergruppe auf der EuroMold 2007. Die Prozesskette „Vom Design über den Prototyp bis zur Serie“ wurde natürlich Bereich für Bereich mit Hilfe von Foren und Sonderschauen abgebildet, was das Verständnis der Fachleute untereinander erleichtert und den Netzwerkgedanken fördert. Diesmal wurde die Prozesskette auf der EuroMold aber auch ganzheitlich dargestellt – und dabei bildete der Werkzeug- und Formenbau den Mittelpunkt.

 

 

Nach einigen Gesprächen und ersten Designideen fiel im August 2007 der Startschuss für ein ganz besonderes Gemeinschaftsprojekt. Dabei wurde die „Koralle“ hergestellt: ein personalisierter Multifunktions-Ordnungshalter für den aufgeräumten Schreibtisch, den die EuroMold-Besucher auch mit nach Hause nehmen konnten. Dieser Ordnungshalter entstand auf der Sonderschau „Mold + Die Center“ – dank der Arbeit zahlreicher Projektpartner, die alle mit unterschiedlichen Beiträgen dafür sorgten, dass die Koralle entstehen konnte. Unter der Leitung des auf Kunststoffverarbeitung und Werkzeugbau spezialisierten Unternehmensberaters Dr. Tilko Dietert vom Lean Management Zentrum kamen 30 Projektpartner zusammen: vom Einzelunternehmer bis zum Weltkonzern mit über 450.000 Mitarbeitern.

 

Von der Idee bis zur Konstruktion

 

Die Idee für den Ordnungshalter kam dem Designer Andreas Schmieg von XO DESIGNGROUP beim Tauchen, als er eine Koralle fand. Sie inspirierte ihn zu dem natürlich wirkenden Ordnungshalter, den die VG Kunststofftechnik zwar als Prototyp lasersintern konnte, der aber so nicht als Spritzgießteil hergestellt werden konnte. Es galt, einige Hürden zu überwinden. So wurde mit dem PA/ABS-Blend Triax von Lustran Polymers (Ineos) ein Material ausgesucht, mit dem die Füllung der Verästelungen der Koralle, die Stabilität bei gleichzeitiger Federwirkung sowie eine hochwertige Oberfläche gewährleistet ist. Nach Simulationsrechnungen zu Füllung, Verzug, Temperierung und Festigkeit und unter Berücksichtigung von werkzeugtechnischen Erfordernissen (Entformung, Anbindung, Temperierung) wurde vom Konstruktionsbüro Hein gemeinsam mit dem Designer und dem Projektleiter die Teilegeometrie überarbeitet und schließlich in eine herstellbare Werkzeugkonstruktion umgesetzt.

 

Vom Stahl zum fertigen Werkzeug

 

Um in der Kürze der Zeit das Werkzeug fertigen zu können, wurde für die Formeinsätze vorgehärteter Spezialstahl Toolox 44 von Böhler-Uddeholm verwendet. Der Aufbau erfolgte weitgehend mit Normteilen von HASCO sowie einer Standard-Heißkanaldüse von Synventive, die für das empfindliche Material besonders kurz gewählt wurde. Da durch die Geometrie der Koralle fast alle Bereiche des Werkzeugs schlecht gekühlt werden können, wurde ein Kühlsystem der Stemke Kunststofftechnik eingesetzt, dass normalerweise für Hot Spots gedacht ist. Dieses Kühlsystem verwendet als Weiterentwicklung der CO2-Kühlung ein Kühlmittel im geschlossenen Kreislauf. Dadurch ist hier das weltweit erste Werkzeug ohne eine Wasser- oder Ölkühlung entstanden.

 

Für die Herstellung des Werkzeugs für die Koralle waren viele Schritte nötig: die spanende Bearbeitung des Aufbaus erfolgte durch die Fräserei Friedrich, den Fräswerkzeughersteller FRANKEN und die Maschinenvertriebsgesellschaft WESCHU. Für eine Änderung der Temperierung fräste und bohrte schließlich auch der OPEN MIND Vertriebspartner SFT Steyerberg an der Formträgerplatte. Die Anfertigung des düsenseitigen Formeinsatzes übernahm der Werkzeugbau Ruhla. Der Werkzeugbau Hofmann fertigte die auswerferseitigen Einsätze, führte Drahterodierarbeiten an Aufbauplatten durch, gravierte mit dem Laser die Logos in die Form und stellte mittels LaserCUSING die komplexe Verteilerplatte für die Kühlung her. Das weitere Drahterodieren, insbesondere der langen Profil- bzw. Hülsenauswerfer, erfolgte beim Erodierzentrum C.F.K. Für das Senkerodieren der Kavität fräste WESCHU die Elektroden und senkte die Düsenseite. Der Zeitdruck wurde noch dadurch erhöht, dass die Auswerferseite die Sichtseite der Koralle abbildet und deshalb im zusammengebauten Zustand von C.F.K. erodiert und dann von Formtechnik Banas poliert und mattiert werden musste. Dadurch mussten der Aufbau und die Auswerfer sehr früh fertig gestellt werden und ließen sich nicht parallel zu den Einsätzen anfertigen. Nachdem der GHD Präzisions-Formenbau schon die Auswerferseite vorab für das Senkerodieren und Polieren montiert hatte, wurde dann dort das komplette Werkzeug eingepasst und montiert. Eine Korrektur, deren Notwendigkeit dabei festgestellt wurde, machte der Werkzeugbau Hofmann durch umfangreiches Laserschweißen kurzfristig möglich.

 

Zwei Wochen vor der Messe fand die erste Abmusterung (noch ohne Kühlung) bei Siemens in Erlangen statt, die eine vollelektrische Spritzgießmaschine zur Verfügung stellten. Danach wurde das Werkzeug zum Einbau der Kühlung an Stemke Kunststofftechnik übergeben und parallel optimiert. Gleichzeitig beschichtete Dicronite die Auswerfer mit einer DL5-Gleitschicht, um die Leichtgängigkeit der beweglichen Werkzeugelemente sicher zu stellen. Die letzten zwei Wochen bis zur Messe waren bis auf die letzte Minute mit den notwendigen Restarbeiten ausgefüllt, damit wir auf der Messe ein sicher laufendes Werkzeug präsentieren konnten.

 

Bei allen Projektpartnern war die Auslastung durchweg hoch, so dass es schwierig war, die Arbeiten für das Messewerkzeug kurzfristig dazwischen zu schieben, ohne die Kundentermine zu gefährden. Dadurch kam es während der Anfertigung immer wieder zu Situationen, in denen Aufgaben nicht wie geplant durchgeführt werden konnten. Teilweise sprangen dann andere Projektpartner ein, aber mehrfach konnten die Projektpartner andere Firmen noch kurzfristig für das Projekt begeistern, so dass die Anzahl der beteiligten Partner immer größer wurde.

Durch die Zusammenarbeit im Projektteam haben sich neben den Tätigkeiten für die Koralle auch schon erste andere Geschäftskontakte entwickelt, so dass der Nutzen dieses Netzwerks auch über die Euromold 2007 hinaus weiter bestehen wird.

 

Automatisierte CNC-Fertigung im Werkzeugbau

 

Um die Prozesskette bei der Werkzeuganfertigung transparent abbilden zu können, wurden die beiden wichtigsten CNC-Bearbeitungsverfahren Fräsen und Senkerodieren auf der Messe live gezeigt. Beim Fräsen zeigte der Steuerungshersteller Siemens auf einem 5-Achs-Bearbeitungszentrum Alzmetall G 800/5, die mit der SINUMERIK 840D ausgerüstet war, zusammen mit dem CAM-Partner OPEN MIND und Fräswerkzeugen von FRANKEN die Elektrodenfertigung und Hartbearbeitung.

Die Fa. Zimmer + Kreim führte nicht nur die moderne Senkerodiermaschine Genius 602 vor, sondern auch das Automatisierungssystem Chameleon, mit dem die CNC-Bearbeitung der Werkzeug-Einzelteile verkettet werden kann und so ein „Mold & Die Center“ entsteht. Dafür wurden beide CNC-Maschinen mit dem Palettiersystem POWER GRIP von PARTOOL ausgerüstet. Der CAM-Partner Cimatron stellte die für Elektrodenprogrammierung besonders geeignete neue CimatronE Elektrodenlösung vor.

 

Automatisierte Serienproduktion auf dem Messestand

 

Das fertige Werkzeug der Koralle lief während der Messe auf einer vollelektrischen 1000-kN-Bodini-Spritzgießmaschine, die Siemens aus dem Technology and Application Center zur Verfügung gestellt hatte. Mit dieser Maschine demonstrierte Siemens ihre elektrische Spritzgieß-Komplettlösung von der Steuerung SIMOTION D435 über die SINAMICS-S120-Antriebe bis zu den Motoren.

Der Spritzgießprozess wurde von PRIAMUS über Druck- und Temperatursensoren mit dem neuen Pass Controller geregelt und überwacht. Dadurch erfolgt die Umschaltung auf Nachdruck immer exakt dann, wenn die Kavität wirklich gefüllt ist. Die Kühlung erfolgte ausschließlich über einen Kompressor von Stemke, ein Wasser- oder Öl-Temperiergerät war also nicht erforderlich. Da zum Anfahren des Werkzeuges aber auch ein Aufheizen erforderlich ist, enthält das Werkzeug elektrische HASCO-Heizpatronen, die zusammen mit der Synventive-Heißkanaldüse an das Gammaflux-Regelgerät angeschlossen wurden. Das Kunststoffgranulat wurde in einem Labotek-DDM-Trockenlufttrockner auf die erforderliche Restfeuchte gebracht, die für die Verarbeitung notwendig ist und dann in die Spritzgießmaschine gefördert.

Die fertigen Teile wurden von einem GeKu-Roboter, ebenfalls mit Siemens-Steuerung, entnommen und mit einem Förderband von Trio-Technik aus der Schutzeinhausung transportiert. Anschließend wurden sie von einem TECHNIFOR-Mitarbeiter durch Laserbeschriftung mit dem Namen der Besucher zu „persönlichen Korallen“ gemacht.

 

Der Kreis schließt sich, in dem der Designer Andreas Schmieg nicht nur die Koralle gestaltet hat, sondern auch den Messestand, der von der DEMAT aufgebaut wurde. Zur Information der Besucher und Präsentation der Projektpartner gestaltete die Werbeagentur ZUR SACHE einen Sonderflyer, der bei allen Projektpartnern und den Infoständen der DEMAT ausgelegt wurde.

 

Während der Messe wurden über 5000 Korallen produziert, die von den Besuchern und anderen Ausstellern gerne genommen wurden. Nach kurzer Zeit konnte man in allen Hallen Exemplare der „Koralle“ finden, die so zum Symbolteil der EuroMold 2007 geworden ist.

 

Mit 30 Partnern steckte in dem Projekt zwar eine erhebliche Komplexität, aber hier wurde demonstriert, dass mit konsequentem Projektmanagement auch eine solche Komplexität zum Nutzen aller beherrschbar ist. Das ist besonders bemerkenswert, weil alle Partner ihre Beiträge freiwillig – ohne den Druck eines großen Kunden – und ohne direkten finanziellen Nutzen erbracht haben.